Kugellampe mit Hut
Stellen Sie sich vor, Sie sind ein Vogel und suchen eine Bleibe. Sie fliegen an Bäumen vorbei in guter und weniger guter Lage, an lauten Straßen, in stillen Hinterhöfen. Letztere Locations, denken Sie, wären super, stünden da nicht die Kugellampen, die nachtsüber den Baum in helles Licht tauchten. So wie an vielen Stellen im Brunnenviertel.
Mit Kunst gegen die Lichtverschmutzung
„Lichtverschmutzung“ ist das Wort zum Problem. Zigtausend Lampen beleuchten auch den Himmel über Berlin, obwohl das Licht nur am Boden gebraucht wird. Man kann deswegen keine Sterne sehen und manche Menschen bekommen ihre Schlafzimmer nur durch lichtdichte Vorhänge dunkel.
Die Künstlerin Alona Rodeh hat das Problem schon länger auf dem Schirm und geht es mit einer kreativen Lösung an, den sogenannten „Nightcaps“. Die Nightcaps sind Hüte für jene Kugellampen, die man vielerorts in den 1970er und 80er Jahren aufgestellt hat, die schön aussehen, aber sinnloser Weise in alle Richtungen ihr Licht „emittieren“, so der Fachbegriff. Die Nightcaps bestehen aus recyceltem PET-Kunststoff und wurden von einer Berliner Spezialfirma im 3D-Drucker hergestellt. Sitzen sie erst einmal auf den Lampen, verhindern sie, dass das Licht auch nach oben abgestrahlt wird.
Mit Humor in die Umgebung eingepasst
Zehn solcher Hüte hatte das Team von Alona Rodeh entworfen, drucken lassen und im Kiez auf verschiedene Lampen gesetzt. Zur feierlichen Einweihung mit anschließendem Rundgang konnten sich die Gäste allerdings nur neun ansehen, denn eine wurde schon geklaut. Die Nightcaps sind großzügig im Kiez verteilt und nehmen in ihrer jeweiligen Form mitunter ironisch Bezug auf das Umfeld. An den Lampenmasten sind kleine Schilder mit dem Namen der jeweiligen Nightcap sowie einem QR-Code angebracht, über den man zu weiteren Infos gelangt. Es gibt eine Nightcap, die eine Schirmmütze mit darunter geklemmten Handtuch darstellt und den Style der Basketballer im Mauerpark aufgreift. An einer anderen Stelle, in der Nähe eines Anwohnergartens, sieht die Nightcap wie ein alter Hexenhut aus und trägt den Titel „Kräuterfrau“. Den Namen, erzählt Rodeh auf dem Rundgang, hätten sich die Gärtner*innen ausgedacht.
Ziel sind Nightcaps nach Entwürfen von Anwohner*innen
Der Künstlerin war es wichtig, dass Anwohner*innen an dem Projekt beteiligt werden. Sie hat mit den Nachbar*innen gesprochen und Fragebögen verteilt, um herauszufinden, ob alle mit den Nightcaps einverstanden seien. Das ursprüngliche Konzept sah vor, dass auch Entwürfe von Anwohner*innen hergestellt werden sollten. Aus zeitlichen Gründen konnten aber erst einmal nur jene der Künstlerin selbst realisiert werden. Sie hofft, dass es nächstes Jahr weitergeht, dann soll es auch entsprechende Workshops geben, in denen interessierte Nachbar*innen neue Mützen gestalten.
Für die degewo sind die Nightcaps ein Pilotprojekt
Eigentümerin der meisten Kugellampen im Kiez ist die degewo, die das Projekt zu 100% finanziert. Sie ist letztlich auch die entscheidende Instanz, wenn es um dessen Fortführung bzw. Ausweitung geht. Zunächst, so degewo Quartiersmanagerin Tanja Boettcher, betrachte man die Nightcaps im Brunnenviertel als Pilotprojekt. Eine Entscheidung über eine Fortsetzung gäbe es noch nicht. Unabhängig davon werden auch noch nächstes Jahr Nightcaps im Brunnenviertel für eine angenehme Baumbeschattung sorgen. Das Material und die Montage seien darauf ausgelegt, so eine Mitarbeiterin von Alena Rodeh, dass sie mehrere Jahre halten. Vorausgesetzt, es nimmt sie niemand mit.
M.Hühn, 2024