Jungen*tag im Olof-Palme-Zentrum: Vielfalt feiern
Am Freitag, den 09. Juni, wurde im Olof-Palme-Zentrum der „Jungen*tag“ in Mitte gefeiert. Neben Open Stage, Graffiti, Teqball und Hip-Hop ging es vor allem um das Selbstverständnis und die aktuellen Rollenbilder von Jungs.
Den Jungen*tag für Jungs zwischen 11 und 21 Jahren in Mitte gibt es seit 2019. Organisiert wird er von „Demokratie in der Mitte“, der Koordinierungs- und Fachstelle der Partnerschaften für Demokratie. Mit der Veranstaltung soll auf die Verschiedenartigkeit von Jungs-Sein aufmerksam gemacht und für Toleranz gegenüber allen möglichen Formen des Jungs-Sein geworben werden. Mit dabei waren verschiedene Initiativen, die in unterschiedlichen Sparten mit Jungen und jungen Männern zu tun haben, unter anderem die „Berliner Jungs“, eine Anlaufstelle für Jungs mit Missbrauchserfahrungen, das Regenbogenhaus aus Friedrichshain, das Jugendberatungshaus SOS aus Mitte oder das „Maker Mobil“ der bezirklichen Fahrbibliothek.
Am Stand von In Via, einer katholischen Einrichtung, die u.a. einen Jugendmigrationsdienst anbieten, wurde die Sache mit den Rollenbildern wörtlich genommen. Der Tisch lag voll mit Zeitungen und Bildern, aus denen Collagen gebastelt wurden. Thema: „Wie soll ein Mann sein? „Es ist ja gar nicht so einfach, weil es eben verschiedene Bilder gibt“, berichtet Tabea von In Via. Wie die anderen Einrichtungen hatte In Via sein Angebot niedrigschwellig angelegt: Wer Lust hat, macht mit, wer keine hat, eben nicht, eine Diskussion über Männlichkeitsbilder bekommt niemand aufgedrückt. Trotzdem hatte das Fest ein klares Ziel. Hanno Witte von Demokratie in Mitte: „Manche der Jungs haben Berührungsängste. Wir versuchen, ein schönes Fest zu machen, aber auch Inhalte anzusprechen.“
Die Veranstaltung bewegte sich ohnehin in einem gesellschaftlichen Spannungsfeld: Während auf der einen Seite die Haltung gegenüber unterschiedlichen Geschlechter-Identitäten freier wird, erlebt auf der anderen das traditionelle Rollenverständnis eine Renaissance: Am Sonntag nach dem Jungen*tag eröffnete die ARD-Nachrichtensendung „tagesschau“ mit der Meldung, wonach in einer Umfrage ein Drittel der befragten Jungen Schläge gegen Frauen „okay“ finden, und fast die Hälfte der Befragten „fühle sich gestört, wenn Männer ihr Schwulsein in der Öffentlichkeit zeigen.“
Die Studie deckt sich mit den Ergebnissen einer aktivierenden? Bedarfsabfrage in Mitte, wonach queere Jungen* häufig mit Queerfeindlichkeit und Ausgrenzung durch andere Jungen* konfrontiert würden.
Für die Einrichtungen sei es deshalb wichtig, Diskriminierungs-Betroffene stark zu machen, so Nam Le vom Regenbogenhaus: „Vielfalt ist auf jeden Fall ein Thema bei uns. Wir versuchen die Kids zu empowern.“ Neben den Opfern von Diskriminierungen leiden indes auch solche unter Rollenklischees, die sich vermeintlich stark fühlen oder unter dem Druck stehen, immer „männlich“ sein zu müssen. Auch diese brauchen Hilfe. Jugendstadtrat Christoph Keller anlässlich des Jungen*tages auf Radio eins: „Es gibt zum Beispiel auf Youtube sogenannte Flirt- oder Männlichkeits-Coaches, die jungen Männern erklären, wie sie sich vermeintlich als echter Mann zu verhalten haben. Das ist ein Klischee, das wir aufbrechen wollen.“
Auf dem Jungen*tag in Mitte kamen die Besucher mit vielen Fragen und neuen Perspektiven in Kontakt. Je jünger die Jungs, desto weniger Berührungsängste gab es: Am Foto-Fix-Stand schlüpften die jedenfalls ohne Krampf in alle möglich Rollenkostüme.
Text+Fotos: Mathias Hühn