Diesterweg-Gelände: Ärger über plötzliche Kehrtwende
Auf großes Interesse ist die Infoveranstaltung zum ehemaligen Diesterweg-Gelände am Donnerstag (2.5.) gestoßen. Zu der Veranstaltung in der Heinrich-Seidel-Grundschule kamen mehr als 80 Personen, die meisten Bewohnerinnen und Bewohner des Brunnenviertels. Im Ergebnis soll nun ein Runder Tisch eingerichtet werden.
Das Quartiersmanagement Brunnenstraße hatte im Auftrag des Bezirksamts Mitte kurzfristig zu der Runde eingeladen. Das erschienene Publikum nutzte die Gelegenheit, die Pläne des Bezirksamtes hinsichtlich der Zukunft des Geländes in der Putbusser Straße 12 zu erfahren. Für das Amt waren die Bezirksstadträte Ephraim Gothe (Stadtentwicklung, SPD) und Carsten Spallek (Schule, CDU) gekommen, Quartiersmanagerin Katja Niggemeier moderierte die Diskussionsrunde.
Das Thema der Informationsrunde
Um die Entwicklung des Areals, auf dem sich bis vor zehn Jahren das Diesterweg-Gymnasium und die Hugo-Heimann-Bibliothek befand, wird seit Jahren gerungen. Das alternative Wohnbauprojekt „ps wedding“ war bis zum vergangenen Jahr das allseits bevorzugte Projekt für das Gelände. Nach einem Wasserrohrbruch im vergangenen Herbst in den Keller des leerstehenden Gebäudes ist die Debatte um die Nutzung neu entflammt. Im Gespräch ist nun der Abriss und der Neubau einer weiterführenden Schule. „Wie geht es weiter mit dem ehemaligen Diesterweg-Gymnasium an der Putbusser Straße?“ war die Infoveranstaltung deshalb überschrieben.
Bedarf an neuen Schulplätzen – in der Putbusser Straße?
Schulstadtrat Carsten Spallek betonte in seinem Redebeitrag den hohen Bedarf an zusätzlichen Schulplätzen. „Wir müssen Schulplätze schaffen. Die Bereitstellung von ausreichend Schulplätzen ist ein gesetzlicher Auftrag, den wir erfüllen müssen“, sagte er. Spallek präsentierte die Zahlen, die seiner Schulentwicklungsplanung zugrunde liegen. Demnach müsse der Bezirk mindestens sieben neue Grundschulen und sechs weiterführende Schule bauen, um den prognostizierten Bedarf an Schulplätzen decken zu können. „Es gibt wenige größere zusammenhängende Grundstücke“, sagte Spallek, weshalb das Bezirksamt die Putbusser Straße 12 im vergangenen Jahr als möglichen Schulstandort identifiziert habe.
Bezirk wollte altes Schulgelände erst loswerden, jetzt behalten
Einen Blick in die Vergangenheit warf Ephraim Gothe, der zum Zeitpunkt der Schließung der Diesterweg-Gymnasiums in der Putbusser Straße wie heute auch im Bezirk für Stadtentwicklung zuständig war. „Wir haben damals im Bezirksamt etwas hilflos diskutiert, was mit dem Haus gemacht werden soll. Wir hätten damals noch nicht mal das Geld für den Abriss gehabt“, sagte Gothe. Ein Käufer habe sich nicht gefunden. Ephraim Gothe: „Da kam ‚ps wedding‘, das wir alle für ein schönes Projekt gehalten haben – allerdings auch vor dem Hintergrund, dass wir nicht wussten, was wir mit dem Gelände machen sollten“. Inzwischen habe sich die Lage geändert, der Bezirk benötige das Grundstück selbst.
Verschiedene Standpunkte im Publikum
Für die plötzlichen Kehrtwende von der damaligen, im Kiez stark kritisierten Schließung der Schule zu den jetzigen Neubauplänen und der Reaktivierung der der Schule gab es im Publikum wenig Verständnis. Dass dabei das im Kiez verankerte Projekt „ps wedding“ auf der Strecke bleiben soll, ärgerte viele. Die Meinung des Publikums war jedoch letztlich gespalten. Während sich einige vehement für eine neue Schule aussprachen, wollten andere das alternative Wohnbauprojekt umgesetzt sehen. Wieder andere betonten die besondere und erhaltenswerte Architektur des Gebäudes und forderten seinen Erhalt. Einige wollten einfach den Stillstand und die Verwahrlosung des Areals beendet sehen. Die Debatte blieb überwiegend sachlich, war jedoch stellenweise sehr emotional. Es wurde deutlich, dass auch hier im Brunnenviertel ein Verteilungskampf um die knapper werdenden Flächen in der wachsender Stadt geführt wird.
Alternatives Wohnungsbauprojekt vorgestellt
Auch die Initiative „ps wedding“ erhielt das Wort und stellte ihr Entwicklungsprojekt für das Gelände vor. Sabine Horlitz sprach für die Initiative und zeigte die Pläne für günstigen Wohnraum, einem Quartiers- und Nachbarschaftszentrum, einer Kita, Wohnplätzen für Geflüchtete und die Reaktivierung der Bibliothek am Standort. Das Projekt will die Initiative mit über 30 Kooperationspartnern realisieren, unter anderem mit der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft Degewo. Die mit dem Bezirk abgestimmten Plänen wurden mit einem Beamer an die Wand geworfen. Sabine Horlitz kritisierte den Umgang des Bezirks mit der Initiative „ps wedding“ und forderte, die Abrisspläne zu stoppen und einen Runden Tisch einzurichten, um „die verfahrende Situation zu klären“. Für ihren Beitrag erhielt sie langen unterstützenden Applaus.
Entscheiden werden die Bezirksverordneten
Dass das Thema nicht nur einer von vielen Aufregern im Kiez ist, zeigt die starke Präsenz von Politikern der verschiedensten Parteien im Publikum. Neben Tobias Schulze (Linke) und Maja Lasic (SPD), beide Mitglieder des Abgeordnetenhauses, waren unter anderem die Bezirkspolitiker Frank Bertermann (Grüne) und Bezirksverordnetenvorsteher Sascha Schug (SPD) anwesend und diskutierten mit. Während die Grünen und die Linken „ps wedding“ unterstützen, will die SPD den Schulneubau in der Putbusser Straße 12. Schulneubau oder Wohnbauprojekt? Letztlich werden die Mitglieder der Bezirksverordnetenversammlung über diese Frage entscheiden müssen.
Runder Tisch wird organisiert
Die vorgestellten Planungen der Stadträte sind als Vorbereitung eines Bezirksamtsbeschlusses erarbeitet worden. „Spätestens nach den Sommerferien sollte in dem Fall eine Entscheidung getroffen werden“, sagte Carsten Spallek. Jetzt sei noch nicht „alles in trockenen Tüchern“. Für den Wunsch von „ps wedding“ nach einem Runden Tisch, der offenbar von vielen im Publikum geteilt wurde, zeigten sich die Stadträte schließlich offen. Hier könnten auch, wie in der Diskussion bereits geschehen, Alternativstandorte für Schulneubau ins Gespräch gebracht werden. „Der Runde Tisch muss jedoch den ganzen Bezirk in den Fokus nehmen. Wenn dabei nur ein oder zwei neue Ideen für Schulstandorte entstehen, dann hätte sich das schon gelohnt“, sagte Ephraim Gothe. Es wurde vereinbart, dass das Bezirksamt zusammen mit dem Quartiersmanagement Brunnenstraße einen solchen Runden Tisch organisieren.