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12.03.2012

“Wir hier in Berlin brauchen das Programm Soziale Stadt”

Seit Dezember 2011 hat Berlin einen neuen Senator für Stadtentwicklung und Umwelt: Michael Müller war elf Jahre lang Vorsitzender der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus, seit 2004 ist er Landeschef der SPD. Ulli Lautenschläger und Claudia Mattern befragten ihn zum Programm "Soziale Stadt".


Berlins neuer Senator für Stadtentwicklung und Umwelt: Michael Müller

Die rot-schwarze Berliner Regierungskoalition will das Programm Soziale Stadt bis 2016 fortsetzen. Die Bundesregierung sieht das jedoch anders, sie hat ihre Zuschüsse drastisch gekürzt. Was ist für Sie als Stadtentwicklungssenator der entscheidende Grund, das Programm fortzuführen?

Michael Müller: Die Städtebauförderung ist vor über 40 Jahren damit gestartet, drängende stadtentwicklungspolitische Themen zu benennen, die nur im Rahmen einer gemeinsamen Initiative von Bund, Ländern und Kommunen bewältigt werden können.

Ich bedaure es sehr, dass sich der Bund in den letzten Jahren von diesem Grundgedanken verabschiedet hat. Die Aufgabe, den sozialen Zusammenhalt in den Städten und Gemeinden zu stärken, ist ihm offensichtlich völlig aus dem Blick geraten. Anders sind die Absenkungen des Programmvolumens der Bundesfinanzhilfen auf unter ein Drittel des ursprünglichen Programms nicht zu erklären. Es war eine breite Front an Fürsprechern, die das Programm Soziale Stadt in seiner notwendigen Ausstattung erhalten wollten und es freut mich, dass wir gerade auch in Berlin, zusammen mit den Menschen in den Kiezen und unseren Quartiersmanagern ein so breites Bündnis für den Erhalt des Programms auf die Beine stellen konnten. Dieser Widerstand führte beim Bund zu einem zaghaften Zugeständnis. Dies ist ein kleiner Erfolg und ich danke noch einmal ausdrücklich all denen, die diesen Protest gegen eine verfehlte Politik im Bereich der Sozialen Stadt mit unterstützten. Wir hier in Berlin brauchen das Programm Soziale Stadt. Wir finanzieren daraus das Berliner Quartiersmanagement und dieser Ansatz hat sich in den letzten 13 Jahren als erfolgreiche Strategie zur Stabilisierung sozial benachteiligter Stadtteile bewährt.

 

Ab 2014 startet die neue Strukturfondsperiode des EFRE. Der EFRE steuert immerhin 50 Prozent der Quartiersmanagement-Mittel bei. Wird es Berlin gelingen, in gleicher Höhe wie bislang diese Mittel zu nutzen?

Michael Müller: Mein Anliegen ist, dass Berlin in der Förderperiode ab 2014 in gleicher Höhe von den EU-Strukturfonds profitieren kann. In der aktuellen Förderperiode, die im nächsten Jahr endet, waren es immerhin 144 Millionen Euro, die wir zur Stärkung des sozialen Zusammenhalts einsetzen konnten. Deshalb habe ich mich gefreut, dass die Entwürfe für die Verordnungen auch in Zukunft die Förderung städtischer Gebiete vorsehen. Allerdings gibt es noch viele Diskussionen im Detail und wir stehen erst am Beginn eines längeren Aushandlungsprozesses. Ich selbst werde mit meinem Haus alle Möglichkeiten nutzen und in die Debatte eingreifen, so dass die Berliner Quartiere auch ab 2014 aus europäischen Mitteln unterstützt werden.

 

Was glauben Sie, haben knapp 13 Jahre Quartiersmanagement Berlin gebracht?

Michael Müller: In der Stadt entwickelten sich in den letzten Jahren Stadtteile mit schlechter werdenden sozialen Bedingungen. Dort haben wir Quartiersmanagement eingeführt. Die daraus entstandenen Netzwerke und das Verantwortungsgefühl in den Kiezen trugen dazu bei, dass sich die Situation trotz der schwierigen sozialen Situation stabilisierte. In der Verwaltung werden zudem Probleme nicht isoliert aus einer Fachzuständigkeit heraus betrachtet, sondern über Verwaltungsgrenzen hinweg wird die Zusammenarbeit zur Lösung von Problemen im Kiez organisiert. Die erreichten Arbeitsstrukturen in den Bezirken stimmen mich optimistisch, dass im Sinne einer fachübergreifenden Zusammenarbeit schon viel erreicht ist. Ein zentrales Anliegen des Quartiermanagements ist die Hilfe zur Selbsthilfe – also die Mobilisierung der Menschen im Kiez, sich selbst zu engagieren. In Berlin haben sich u.a. dazu die Quartiersräte herausgebildet.

 

Die Koalition hat vereinbart, „das Berliner Quartiersmanagement im bisherigen Umfang und der bisherigen finanziellen Ausstattung fortzuführen und entsprechende Landesmittel bereitzustellen“. Können Sie das im kommenden Haushalt 2012/13 gewährleisten?

Michael Müller: Der Senat hat einen Haushaltsentwurf in die Beratungen des Abgeordnetenhauses eingebracht, der 15,4 Millionen Euro pro Jahr an Projektmitteln für das Programm Soziale Stadt und Maßnahmen in den Aktionsräumen Plus vorsieht. Das entspricht etwa dem Niveau des Programms im Jahr 2009. Hinzu kommen die Mittel zur Finanzierung der QM-Teams. Beschließt das Abgeordnetenhaus wie im Entwurf vorgesehen, ist die Fortführung gesichert.

 

Die Beteiligung von Bewohnern im Rahmen von Quartiersräten und -jurys bei der Vergabe von Projektförderungen ist ein wesentliches Merkmal des Erfolgs des Berliner Quartiersmanagements. Halten Sie an diesen Mitbestimmungsmöglichkeiten fest und werden Sie solch effektive Beteiligung auch auf andere Stadtentwicklungsbereiche ausweiten?

Michael Müller:  Die Stärke des Quartiersmanagements besteht darin, Nachbarn, Kiezeinrichtungen, Verwaltung, Vereine bis hin zu Religionsgemeinschaften für ein gemeinsames Ziel zu begeistern. Mit den Quartiersräten geben wir dem Stadtteil einen Ort, wo die gemeinsamen Ziele beraten und diskutiert werden. Im Quartiersmanagement betrachten wir Netzwerke und Geld als gleichwertige Ressourcen. In den Quartiersräten wird beides zusammengeführt. Solange die Quartiersräte dazu beitragen, an der Entstehung solidarischer Stadtteile mitzuwirken, bilden sie einen unverzichtbaren Bestandteil des Verfahrens. Die Räte können in der bezirklichen Arbeit die vorhandenen Formen der demokratischen Mitbestimmung ergänzen.

 

Sie wollen „Quartiere, die sich konsolidiert haben, in die Regelbetreuung kommunaler Daseinsvorsorge überführen“. Gibt es dafür bereits konkrete Pläne? Und wird im Gegenzug Quartiersmanagement zukünftig auch in weiteren prekären Nachbarschaften eingesetzt werden?

Michael Müller: Meine Verwaltung hat ein sehr effizientes System zur Beobachtung der sozialökonomischen Entwicklung der Stadtteile Berlins entwickelt. Dies lieferte uns Aussagen über die sozialstrukturelle Zusammensetzung der Berliner Stadtteile und eine grobe Einschätzung der Entwicklung der Kieze. Sofern wir feststellen, dass das Miteinander im Kiez aus eigener Kraft nicht ausreicht, um eine gleichwertige Entwicklung des Stadtteils zu gewährleisten, richten wir ein Quartiersmanagement ein. In der Koalitionsvereinbarung ist verabredet, dass wir die laufenden Gebiete dahingehend untersuchen, ob sie noch weiterhin dieses Instrumentes bedürfen. Wo wir feststellen, dass ein ausreichendes Maß an sozialen Kontakten und institutionalisierter Zusammenarbeit im Sinne eines solidarischen Gemeinwesens initiiert werden konnte, werden wir im Rahmen eines angemessenen Zeitraumes die Reduzierung unserer Intervention im Stadtteil vorbereiten. Wir werden dann auch prüfen, ob und wo die dabei frei werdenden Ressourcen einzusetzen sind – wo also Hilfe zur Selbsthilfe durch das Berliner Quartiersmanagement erforderlich ist. Entscheidungen darüber sind bisher nicht getroffen und müssen nun sachlich fundiert vorbereitet werden, so wie in der Koalitionsvereinbarung verabredet.

 

In der Koalitionsvereinbarung für 2011 bis 2016 heißt es, dass “Stadtteilzentren, Nachbarschaftszentren und QM bewährte Träger der sozialen Arbeit in den Kiezen” seien und dass dieses Konzept “unter Überprüfung seiner Wirksamkeit” weiterentwickelt werden solle. Wie soll diese Überprüfung konkret aussehen?

Michael Müller: Nach 13 Jahren Berliner Quartiersmanagement ist es notwendig, die Frage zu beantworten, was hat es gebracht und welche Elemente der Strategie sind für den Erfolg verantwortlich. Dies sollte im Rahmen einer Programmevaluation erfolgen. Es erscheint mir sinnvoll, in den zentralen Handlungsfeldern zu prüfen, welche Verbesserungen durch das Programm erreicht wurden. Parallel sollen Verfahrensvereinfachungen sowie Verbesserungen der Programmstrukturen geprüft werden. Wir werden auch prüfen, was bei der baulichen Aufwertung und Stärkung der Infrastruktur sowie hinsichtlich der fachübergreifenden Zusammenarbeit in den Bezirken erreicht wurde. Dies wird eine gute Grundlage für die Weiterentwicklung bilden. Das Berliner Quartiersmanagement ist ein Maßnahmenkonzept der Sozialen Stadt und dort wo es nötig ist, werden wir die Struktur neu ausrichten und die erfolgreichen Elemente stärken.

 

Im Zuge der Debatte von Gentrifizierung in Nord-Neukölln ist immer wieder von steigenden Mieten die Rede, die zu Verdrängung von Bewohnern führen. Welche Möglichkeiten hat der Berliner Senat, gegen Mietsteigerung vorzugehen?

Michael Müller: Um die Mietentwicklung zu dämpfen, veröffentlicht die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt alle zwei Jahre einen neuen Berliner Mietspiegel. Damit wird verhindert, dass Mieterhöhungen über das ortsübliche Mietniveau hinaus von Vermietern durchgesetzt werden können. Daneben setzt sich der Senat für eine Verbesserung des bundeseinheitlichen Mietrechts für nicht preisgebundene Wohnungen ein. Zur Verbesserung des Mieterschutzes hat Berlin eine Mietrechtsinitiative im Bundesrat eingebracht. Die wichtigsten Punkte dieser Mietrechtsinitiative sind:

  • Der Umfang allgemeiner Mieterhöhungen bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete soll verringert werden (von bis zu 20 Prozent innerhalb von drei Jahren, 15 Prozent innerhalb von vier Jahren)
  • Die Mieterhöhung bei Modernisierung soll von 11 Prozent der für die Wohnung aufgewandten Kosten auf 9 Prozent jährlich abgesenkt werden.
  • Der Tatbestand der Mietpreisüberhöhung soll zukünftig unterhalb der Ebene Gemeinde kleinräumig gewürdigt und verfolgt werden können. Bisher ist entsprechend dem Wirtschaftsstrafgesetz ein geringes Wohnungsangebot in der ganzen Gemeinde (Berlin) Voraussetzung für die Verfolgung von Mietpreisüberhöhungen.

Die Presse berichtet von einer Verdrängung aus Nord-Neukölln. Was ist mit der sozial schwächeren Bevölkerung, wie wird sie bei der Stadtentwicklung berücksichtigt?

Michael Müller: Das Thema ist mir zu wichtig, als dass ich mich daran beteiligen würde, in der Mietenfrage Ängste zu schüren. Etwas mehr Sachlichkeit in der Diskussion darüber kann uns helfen, die tatsächlichen Probleme zu benennen und gezielt dagegen Maßnahmen durchzusetzen. Die Ergebnisse einer Untersuchung für den Neuköllner Norden im vergangenen Jahr durch meine Verwaltung zeigen mir, dass wir nicht nur in schwarz und weiß denken dürfen. Bis vor kurzem problematisierte die Presse noch sehr eindringlich die Gefahr der Verslumung Nord-Neuköllns. Heute finden Sie Berichte, die von einer ungezügelten baulichen Aufwertung und Verdrängung der Gebietsbevölkerung reden. Zwischen beiden Sichtweisen liegen nur wenige Monate. Unsere Forschungsergebnisse zeigen, dass wir wohl eher von einer geglückten Stabilisierung reden können. Der Zu- und Fortzug in die und aus den Gebieten ist nun nicht mehr dadurch gekennzeichnet, dass zunehmend Besserverdienende den Kiez verlassen. Es kommt viel mehr zu einer sozial ausgeglichenen Bevölkerungsentwicklung.

 

Wie kann es der Berliner Regierung gelingen, die Bundesregierung von der Wichtigkeit des Programms Soziale Stadt zu überzeugen?

Michael Müller: Wenn die Bundesregierung nicht länger ihrer Wirklichkeitsverweigerung folgt, könnte sie auch selbst zu dem Ergebnis kommen, dass es ein Fehler war, Hand an die Soziale Stadt anzulegen. Ob sie allerdings noch die Kraft findet, den falschen Kurs zu korrigieren bezweifle ich. So gesehen ist diese Überzeugungsarbeit schon fast hinfällig. Auch für die Städtebauförderung 2012 gilt, dass der Bund das Programm zwar fortführt, aber in reduzierter und eingeschränkter Form, also mit wenig Geld und einer einseitigen, baulichen Ausrichtung. Das Verhalten der Bundesregierung in dieser Frage erscheint mir widersprüchlich: Einerseits schmückt sich die Kanzlerin auf dem Integrationsgipfel mit Projekten der Sozialen Stadt. Andererseits wird gleichzeitig das Programm zusammengestrichen. Insofern bin ich skeptisch, dass wir kurzfristig eine Änderung der Haltung des Bundes erreichen. Wichtig ist mir, dass wir die Bedeutung und Erfolge des Berliner Quartiersmanagements weiterhin kommunizieren. Das Programm ist unentbehrlich – in seiner gesamten inhaltlichen Breite.

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